Datenmanagement für den Klimaschutz

"Als Unternehmenslenkerin brauche ich Klarheit und Transparenz"

Capgemini
Mag den Slogan „Daten sind das neue Gold“: Unternehmensberaterin Julia Müller.
Mag den Slogan „Daten sind das neue Gold“: Unternehmensberaterin Julia Müller.

Julia Müller ist Vice President Sustainability bei der Unternehmensberatung Capgemini Invent in Deutschland. Dort beschäftigt sie sich unter anderem mit der Entwicklung innovativer Geschäftsmodelle für eine nachhaltige Zukunft.

Zuvor hat Müller bei der Bosch-Tochter BSH Hausgeräte die Nachhaltigkeitsstrategie entwickelt und das Circular Economy Programm umgesetzt. Im Interview erklärt Julia Müller, warum Unternehmen ein effektives Datenmanagement benötigen, um zukunftsfähig zu werden.



Frau Müller, wie wichtig sind Daten für ein effektives Klimaschutzmanagement?
Julia Müller: Tatsächlich mag ich den Slogan „Daten sind das neue Gold“, denn das gilt auch und gerade für den Klimaschutz. Als Unternehmenslenkerin brauche ich Klarheit und Transparenz darüber, wie nachhaltig mein Unternehmen ist, wo ich auf der Reise zur Nachhaltigkeit stehe. Daten und Fakten sind wichtig: zum einen als Baseline sowie Entscheidungsgrundlage und zum anderen, um den Fortschritt messen zu können.

„Wir sehen viele Unternehmen, die Daten zum Klimaschutz in diversen Excel-Dateien, sonstigen Dokumenten und über die ganze Organisation verstreut haben.“
Julia Müller, Capgemini Invent

Wo liegen die Defizite in der Datenerfassung?
Wir sehen viele Unternehmen, die Daten zum Klimaschutz in diversen Excel-Dateien, sonstigen Dokumenten und über die ganze Organisation verstreut haben. Um das zu beheben, muss zunächst ein solides Datenmanagement aufgebaut werden – allein schon aus regulatorischer Sicht. Das erfordert Mut, weil es eine Herausforderung ist. Auch Plattform-Lösungen haben sich die meisten Unternehmen noch nicht genähert.

Die Anforderungen an die Datenverfügbarkeit verschärfen sich immer weiter.
Ich erwähne an dieser Stelle mal die Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD). Das ist eine Vorschrift der Europäischen Union, die für eine Vielzahl von Unternehmen in der EU und Drittstaaten gelten wird. Daraus abgeleitet, gibt es dann EU-Standards zur Nachhaltigkeitsberichterstattung…

Und wir reden hier nicht nur über Berichterstattung an sich, die Vorgaben fordern den Unternehmen auch echte Handlungen ab…?

„Wenn man das Dokument ausdrucken würde, dann rodet man dafür einen Wald. Es ist viel. Daten sind die Grundlage für Compliance – und ich muss sie zur Hand haben.“
Julia Müller, Capgemini Invent

Genau. Je nach Art und Größe eines Unternehmens muss man von 2024 an, spätestens aber ab 2026 verbindlich dazu berichten. Beim Blick auf diese Standards erschrickt man im ersten Moment. Denn allein die wesentlichen Berichtsanforderungen für jedes Unternehmen, das unter die CSRD fällt, umfassen mehr als 400 Datenpunkte. Darüber hinaus erscheinen im dritten Quartal 2023 die sektorspezifischen Standards und die Regeln speziell für KMUs. Das ist viel, das ist mächtig, und das erfasst nicht nur Klimaschutzkennzahlen, sondern auch den Anteil von Rezyklaten in Produkten, den Wasserverbrauch, den Gender-Pay-Gap oder den Whistleblower-Schutz. Wenn man das Dokument ausdrucken würde, dann rodet man dafür einen Wald. Es ist viel. Daten sind die Grundlage für Compliance – und ich muss sie zur Hand haben.

Was sagen Sie all jenen, die jetzt gerade Angst bekommen haben?
Anfangen. Anfangen. Anfangen. Und das nicht mit einzelnen Standards, die zu erfüllen sind, sondern mit der Frage, ob Sie ein geeignetes Datenmanagement haben und falls nicht: wie Sie es am besten aufbauen.

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Worauf kommt es beim Aufbau eines Datenmanagements an?
Es beginnt mit einer Frage: Wer braucht wann welche Daten in welcher Form für welchen Zweck? Da gibt es die internen Stakeholder wie Geschäftsleitung und Führungskräfte, die Daten für Entscheidungsprozesse nutzen werden, und es gibt die externen Stakeholder wie Auditoren, Firmen- und Privatkunden, NGOs. Dafür brauche ich ein solides Datenmanagement und das wiederum erfordert eine gute Governance. Was heißt das? Das Datenmanagement muss in der Organisation verankert sein. Ich muss dezidierte Rollen und Verantwortlichkeiten haben, damit klar ist, wer für welche Daten zuständig ist und diese pflegt. Das wird als erste Reaktion gerne auf die IT, Legal oder Compliance abgeschoben. Doch so funktioniert das nicht. Es handelt sich um eine gesamtunternehmerische Verantwortung; deshalb muss ich es auch so denken und aufbauen.

Um zu wissen, welche Daten ich brauche, brauche ich doch aber eigentlich auch erst einmal eine Strategie, was ich überhaupt erreichen will?
Richtig, das Datenmanagement leitet sich aus der Klima- oder Nachhaltigkeitsstrategie ab. Da muss ich wissen, wo ich stehe, wohin ich will und wie ich das umsetze. Ich muss die regulatorischen, systemischen sowie prozessualen Anforderungen kennen, relevante Datenquellen identifizieren und sie pflegen. Wichtig sind auch Dokumentation und Prüfbarkeit.

Welche Herausforderungen sind besonders schwierig zu lösen?Nicht zu unterschätzen ist das Onboarding der Beschäftigten. Die Mitarbeitenden müssen nicht nur das Datenmanagementsystem verstehen, sie müssen auch erkennen, warum es entscheidend ist, dass sie sich um die Datenerfassung kümmern. Das ist also nicht nur eine technische Herausforderung, sondern auch eine kulturelle – und besonders wichtig, wenn ich eine Plattformlösung wähle.

„Da haben viele Unternehmen noch großen Handlungsbedarf. Denn langfristig werden sich nur Unternehmen durchsetzen, die nachweislich nachhaltig sind.“
Julia Müller, Capgemini Invent

Gibt es für kleinere Unternehmen einfachere Lösungen als für große?
Kleinere Unternehmen unterscheiden sich von größeren darin, dass sie weniger komplex sind. Aber die Anforderungen an Datenqualität oder Datenverfügbarkeit bleiben dieselben. Die muss ich immer erfüllen. Mit Blick auf die Regulatorik kann es sein, dass man kleineren Unternehmen bestimmte Pflichten nicht auferlegen wird. Der Charakter des Datenmanagements aber ändert sich dadurch nicht grundsätzlich.

Wenn Daten das neue Gold sind, wie Sie zu Beginn des Gesprächs sagten, wie können diese Daten, die man für den Klimaschutz und die Nachhaltigkeit zusammenträgt, auch in anderer Form noch nützlich werden?
Mithilfe der Daten kann ich die Aktivitäten meines Unternehmens in Einklang mit meiner unternehmerischen Verantwortung und den externen Anforderungen bringen. Damit sind diese Daten wesentlich für die Zukunftsfähigkeit eines Unternehmens. Datenmanagement hat ein riesiges Potenzial. Nur ein Beispiel: Auf Basis der Nachhaltigkeitsdaten zu Energie- und Ressourcenverbrauch designe ich meine Produkte der Zukunft klimafreundlicher und stelle damit sicher, dass ich in einer dekarbonisierten Wirtschaft marktfähig bin. Da haben viele Unternehmen noch großen Handlungsbedarf. Denn langfristig werden sich nur Unternehmen durchsetzen, die nachweislich nachhaltig sind.


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