"Was bedeuten die Frühlingsgefühle?", wollte Rolf Westermann, Chefredaktion ahgz, von den Gästen auf dem Digitalen Forum zum Status quo der Hotellerie wissen - und die geladenen Hoteliers und Analysten hatten überraschend gute Nachrichten. Die Talsohle könnte erreicht sein. Und während die Business-Hotellerie noch strauchelt, geht es anderen Marktsegmenten so gut wie nie zuvor.
Auf der anderen Seite kämpfen die Häuser mit 2 bis 3 Sternen viel mehr.
Style, Design und Konzept seien jetzt wichtig, riet Willa. Häuser, die
gute Bewertungen haben, laufen auch wieder gut und können entsprechende Raten durchsetzen, "teils sogar
besser als 2019."
Keine Erholung bei Geschäftsreisen
Sorgenkind 2022 bleiben die
Geschäftsreisenden. "Business Travel wird langfristig nur zu 60 Prozent zurückkehren", prognostizierte Willa. "Die Menschen haben sich an Videokonferenzen gewöhnt." Auch bei den Auslandsgästen fehlen bisher noch ganze Gästegruppen. "Die Amerikaner erleben den Ukrainekrieg als einen europäischen Konflikt, und das Geschäft mit Gruppenreisen aus Indien und China fällt coronabedingt noch aus."
Jetzt schon bessere Raten schaffen die Hotels in
UK, wo die Corona-Politik deutlich früher und deutlich stärker gelockert wurde als in Festland-Europa. Dort spüren Hoteliers auch schon die
Rückkehr des Messe- und Eventgeschäfts. Davon sei in den Bilanzen Deutscher Hoteliers noch wenig zu spüren, berichtete
Florian Augustin, CCO von Hotelpartner. Zwei große Themen seien so wichtig wie nie zuvor:
Digitalisierung und Personal.
Die Gäste der ahgz-Talkrunde, im Uhrzeigersinn von rechts oben: Yonca Yalaz, Geschäftsführerin, Plaza Hotelgroup; René-Philippe Schappner, Head of Hotels/Managing Director, Colliers International; Jens Bernitzky, Hotel Manager, Hotel Victory Therme Erding; Rainer M. Willa, CEO, HotelPartner
Ratensteigerung mit Revenue Management
"Wir sind nach den Lockdowns immer sofort wieder auf
mehr als 90 Prozent Auslastung zurückgekommen und konnten diese bis heute halten", berichtete
Jens Bernitzky, Hotel Manager des Hotels Victory Therme Erding. Mit einem ganzen Paket an Maßnahmen ist es ihm gelungen, die
Erträge zu steigern.
In Kooperation mit dem Marketing-Team der Therme wurde eine gemeinsame Online-Marketing-Strategie entwickelt, die stärker auf Familien gezielt hat. Zusätzlich ermöglichte es ihm ein professionelles Revenue Management, den
RevPar (Erlös pro vefügbarem Zimmer) bei gleichbleibender Auslastung zu steigern. "Uns war es wichtig, dass wir keine rein KI-gesteuerte Lösung haben."
Mitarbeitersuche schwerer, aber nicht unmöglich
Und auch beim Personal hat Bernitzky nicht gespart. "Wir haben eine
eigene HR-Abteilung mit drei Mitarbeitern und ein digitales Bewerber-Management, das ist für ein Haus unserer Größe nicht unbedingt üblich."
1300 Bewerbungen im Jahr gehen bei ihnen ein und Mitarbeiter, die einmal "an Bord sind", bleiben oft lange auf der Victory. "Die Mitarbeitersuche ist schwerer geworden, aber nicht unmöglich."
Dass sich Investitionen in die eigenen Mitarbeiter in der aktuellen Krise auszahlen, weiß auch die Plaza Hotel Group.
Das Unternehmen wurde gerade zum beliebtesten deutschen Arbeitgeber in Gastronomie, Freizeit, Hotels & Tourismus gekürt. Das habe einen Effekt auf die Bewerbungen, berichtete die Geschäftsführerin
Yonca Yalaz. Deshalb begrüßt sie auch die
neuen Tarifabschlüsse: "Das ist gut für die, die schon immer fair zahlen, wenn die andern auch zu fairen Löhnen gezwungen werden. Außerdem freut es mich natürlich für die Mitarbeiter."
Raten hoch halten
Die
Niedrigratenstrategien, die manche Häuser in der Krise probiert haben, seien der falsche Weg gewesen, berichtete
René Schappner, Head of Hotels bei Colliers International. "Halten Sie die Raten hoch", riet auch Rainer M. Willa den mehr als 500 Zuschauern. "
Das Geld ist da, arbeiten Sie an der Experience!"
Das Hotel Victory ist in der Gestaltung an die HMS Victory, das Flaggschiff von Vize-Admiral Nelson in der Seeschlacht von Trafalgar, angelehnt.
Unique Selling Points sind auf dem Markt so wichtig wie noch nie und das Victory ist hier ein Vorzeigebetrieb: Das Haus ist in die Palmenlagune der Therme Erding eingebaut und die Zimmer sind gestaltet wie edle Schiffskabinen. Aber auch ohne Therme und Bullauge kann hier viel getan werden. Das Stichwort der Stunde lautet
Bleisure, also Business-Angebote, die über Leisure-Komponenten aufgewertet werden. Eine Strategie, auf die man bei der Plaza Hotelgroup gesetzt hat, berichtete Yalaz.
Digitales Revenue Management ist ein großes Thema. Hier haben gerade die Ferienhotels 2021 Probleme bekommen, weil sie ohne Strategie mit zu hohen Raten eingestiegen sind, in der Hoffnung, der Sommer 2020 würde sich noch einmal wiederholen. Doch plötzlich waren klassische Reise-Destinationen wie Griechenland und Spanien mit sehr attraktiven Angeboten zurück auf dem Markt und manch heimisches Hotelzimmer blieb dafür leer.
Grade
in Zeiten von Personalmangel sollten Hoteliers alle verfügbaren Tools nutzen, die die Arbeit erleichtern, riet Willa. Automatisierungen sparten nicht nur Arbeit, sondern machen den Mitarbeitern auch Spaß, schwärmte Yalaz.
Bei der Plaza Hotelgroup, hier die Lobby in Den Haag, hofft man auf hohe Raten im Herbst.
Optimistische Ausblicke
Wie blicken die Fachleute auf den kommenden
Herbst? Überraschend
positiv! "Ich gehe davon aus, dass der Herbst wie 2019 wird", sagt Yalaz. "Ich mache nicht beim Preisdumping mit. Wenn wir die Belegung von 2019 wieder bekommen, müssen wir die Preise erhöhen, weil wir ganz andere Kosten gerade erleben." Auch Jens Bernitzky hofft auf den Herbst: "Im Idealfall bleibt es so wie es jetzt:
hohe Nachfrage, zufriedene Gäste und leicht steigende Raten."
Diese Hoffnung könnte ihm unter Umständen nur noch der
Gaspreis verhageln. Zumindest arbeitet sein Haus auch an einem Notfallplan. Gasmangel könnte dazu führen, dass der energieintensive Betrieb der Therme nicht mehr wirtschaftlich zu leisten wäre. "Es kann sein, dass da noch mal eine Schließung auf uns zukommt."