Es hatte sich abgezeichnet, jetzt ist es amtlich: Hotels können sich vor deutschen Gerichten gegen bestimmte Geschäftsgebaren des Buchungsportals wehren.
Der Hotelverband Deutschland (IHA) ließ in einem Musterverfahren vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) klären, ob sich ein deutsches Hotel gegen missbräuchliches Marktverhalten von Booking.com vor einem deutschen Gericht wehren kann oder ob ein Amsterdamer Gericht zuständig ist.
In dem seit 2015 schwelenden Rechtsstreit hat der EuGH in Luxemburg heute mit seinem Urteil die
Rechtsauffassung des Hotelverbandes vollumfänglich bestätigt. Damit ist das Gericht den Schlussanträgen seines Generalanwalts Henrik Saugmandsgaard Øe vom 10. September 2020 gefolgt.
„Diese Grundsatzentscheidung der obersten Richter der Europäischen Union ist ein
enorm wichtiger Zwischenerfolg für uns im Kampf David gegen Goliath“,sagt der
IHA-Vorsitzende Otto Lindner. „Wir gehen davon aus, dass die nun erfolgte erhebliche
Absenkung der Hürden für den Rechtsweg zu einer gewissen
Disziplinierung im Marktverhalten des marktmächtigen Buchungsportals mit Firmensitz in Amsterdam führen wird.“
In der Urteilsbegründung des EuGH heißt es wörtlich:
"Die Plattform
Booking.com kann von einem Hotel, das sie nutzt, grundsätzlich
vor einem Gericht des Mitgliedstaats, in dem das Hotel liegt, auf Unterlassung eines etwaigen Missbrauchs einer beherrschenden Stellung
verklagt werden. Auch wenn die Verhaltensweisen, deren Unterlassung begehrt wird, im Rahmen eines Vertragsverhältnisses stattfinden, ist die besondere Zuständigkeitsregelung der Brüssel-Ia-Verordnung für Verfahren anwendbar, die eine unerlaubte Handlung oder eine Handlung, die einer unerlaubten Handlung gleichgestellt ist, oder Ansprüche aus einer solchen Handlung zum Gegenstand haben."
Das Verfahren geht auf die vom Hotelverband unterstützte und seit 2015 anhängige
Klage des Hotels Wikingerhof in Kropp (Schleswig-Holstein) gegen das aus seiner Sicht missbräuchliche Verhalten des marktbeherrschenden Buchungsportals Booking.com zurück. Konkret beklagt das Hotel eine von Booking.com
ohne seine
Kenntnis und Zustimmung durchgeführte Rabattaktion, die generelle Höhe des Kommissionssatzes und einen nur eingeschränkten Zugang zu Kundendaten. Das Landgericht Kiel hatte die Klage des Wikingerhofs am 27. Januar 2017 wegen internationaler Nichtzuständigkeit des Gerichts abgewiesen und auf Amsterdam, den Firmensitz von Booking.com, als Gerichtsstand verwiesen. Die Berufung gegen dieses Urteil wies das OLG Schleswig am 12. Oktober 2017 ab, wobei eine Revision zum Bundesgerichtshof explizit nicht zugelassen wurde, da das OLG Schleswig der Sache keine grundlegende Bedeutung beimaß. Die hiergegen erhobene Nichtzulassungsbeschwerde des Hotels beim Bundesgerichtshof in Karlsruhe hatte am 17. Juli 2018 Erfolg. Aufgrund der europarechtlichen Klärungsbedürftigkeit und Bedeutung des Verfahrens beschloss der BGH, die relevante Rechtsfrage dem Europäischen Gerichtshof vorzulegen.
Denn es macht faktisch einen erheblichen Unterschied aus, ob sich
David gegen Goliath mit niederländischen Anwälten in
fremder Sprache und in ungewohntem Rechtsrahmen in Amsterdam gegen rechtswidriges Verhalten wehren muss, oder ob jeder Beherbergungsbetrieb in Deutschland vor das für seinen
Standort zuständige Landgericht ziehen kann“, unterstreicht Markus Luthe, Hauptgeschäftsführer des Hotelverbandes Deutschland (IHA), die grundlegende Bedeutung des Urteils. „
Damit ist der Weg vor deutsche Gerichte nun auch in der Causa Wikingerhof
frei, die sich nun in der Hauptsache mit den konkreten Vorwürfen des Marktmachtmissbrauchs durch Booking.com auseinanderzusetzen haben."