Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat die Entscheidungsgründe seines jüngsten Beschlusses zur Arbeitszeiterfassung veröffentlicht.
Damit haben Unternehmen nach der bereits aus der im September veröffentlichten Pressemitteilung jetzt weitere Anhaltspunkte dafür, wie die aus dem Arbeitsschutzgesetz (ArbSchG) abgeleitete Pflicht des Arbeitgebers, Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit der Arbeitnehmer zu erfassen, umzusetzen ist. Auch nach dieser Grundsatzentscheidung bleiben allerdings noch zahlreiche Fragen offen. Das teilte der Dehoga Bundesverband mit.
Der Europäische Gerichtshof hatte im Mai 2019 entschieden, dass die europäische Arbeitszeitrichtlinie eine generelle Arbeitszeiterfassung verlange. Auf dieses EuGH-Urteil bezieht sich jetzt das BAG. Im deutschen Arbeitszeitgesetz ist nämlich gerade keine generelle Aufzeichnungspflicht festgelegt, sondern nur eine für Überstunden. Deshalb zieht das BAG eine sog. „europarechtskonforme Auslegung“ von § 3 Abs. 2 Nr. 1 ArbSchG heran. Dieser bestimmt ausdrücklich lediglich, dass Arbeitgeber für geeignete Organisation zu sorgen und die erforderlichen Mittel bereitzustellen haben, um die Sicherheit und Gesundheit der Beschäftigten bei der Arbeit sicherzustellen. Das soll nach der Rechtsprechung jetzt eben auch bedeuten, das Arbeitszeiten aufgezeichnet werden müssen.
Beim „Wie“ haben Arbeitgeber – jedenfalls bis zu einer vom Bundesarbeitsministerium bereits angekündigten gesetzlichen Regelung - noch einen gewissen Gestaltungsspielraum. So bestätigt das BAG die Möglichkeit der Delegation der Erfassung auf die Arbeitnehmer sowie die Möglichkeit, dass der Arbeitgeber die Art und Weise der Aufzeichnung bestimmt; eine elektronische Erfassung wird also durch das BAG nicht vorgegeben.
Das Urteil macht einmal mehr deutlich, dass das Arbeitszeitgesetz dringend modernisiert und an die Lebens- und Arbeitswirklichkeit angepasst werden muss, meint der Dehoga. Der Verband fordert, die Woche statt des Tages als Grundlage für die gesetzliche Höchstarbeitszeit im Arbeitszeitgesetz festzulegen. Das entspricht der EU-Arbeitszeitrichtlinie und würde Unternehmen und Beschäftigten ein Mehr an Flexibilität ermöglichen, z.B. im Veranstaltungsgeschäft.Die bayerische Arbeitsministerin Ulrike Scharf hatte am Mittwoch angekündigt, sich bei einer Konferenz mit ihren Amtskollegen für eine Verlängerung der maximalen Höchstarbeitszeit über die geltenden zehn Stunden hinaus einzusetzen. Die Arbeitszeiten müssten an die Lebenswelten der Menschen angepasst werden. «Wir brauchen mehr Flexibilität, um Familie mit Beruf vereinbaren zu können - das steigert auch die Beschäftigungsquote», sagte die CSU-Politikerin.
SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert kritisierte diese Argumentation nun als «frech» und «perfide» und erklärte: «Was die CSU zur Ausweitung der täglichen Arbeitszeit vorschlägt, ist eine Kampfansage an Millionen Beschäftigte im Land, die den Laden Tag für Tag am Laufen halten.»