Der Hotelberater über den November-Lockdown, eine Politik mit zu wenig Augenmaß und die Kraft der gastlichen Branche.
Es gibt keinerlei Hinweise darauf, dass unsere Branche wesentlich zur Ausbreitung des Virus beigetragen hat. Ich will auch überhaupt nicht den Eindruck erwecken, dass wir die Gefahr der zweiten Welle nicht erkennen. Ich will aber gerne die Sinnhaftigkeit einer Maßnahme hinterfragen, die es erlaubt, zum Teil dicht gedrängt am öffentlichen Leben teilzunehmen, etwa bei der Nutzung des ÖPNV oder in Shopping Malls. Auf der anderen Seite werden indessen das Verantwortungsbewusstsein der Branche und die konsequente Umsetzung der Hygienevorschriften infrage gestellt.
Dass Hotellerie und Gastronomie beim Aspekt Virusverbreitung in den Fokus gerückt sind, hat jedenfalls gravierende Auswirkungen. Über Jahre ist es uns gelungen, durch engagierte Gastgeber und Mitarbeiter, durch attraktive neue Konzepte, durch eine lockere und oftmals exzellente Dienstleistung, das Image der Branche deutlich zu verbessern. Vorrangig bei unseren Gästen, natürlich aber auch bei potenziellen Mitarbeitern und nicht zuletzt bei Investoren und Banken. Dies wird nun durch die harten und teilweise unkoordinierten Maßnahmen der Politik infrage gestellt. Ich frage mich ständig, was können wir tun? Eine Antwort ist sicher: Die Branche muss noch lauter, noch vehementer ihre Stimme erheben – und wir müssen unsere Branchenvertreter noch intensiver bei der Vertretung unserer Interessen unterstützen. Auch geht es darum, weiter daran zu arbeiten, ein zeitgemäßes und breitgefächertes Angebot für Freizeit- und Geschäftstourismus durch ständige Innovationen und Weiterentwicklungen sicherzustellen.
Gastronomie und Hotellerie sind ein wichtiger und toller Imageträger für unser Land, ein wichtiger Baustein für internationale Wirtschaftsverbindungen, ein Anbieter von Räumlichkeiten für Kongresse und Veranstaltungen mit internationaler Ausrichtung – und im Kleinen ein Raum, der Menschen zum persönlichen Austausch und zur Geselligkeit zusammenbringt. In Frankreich zählt unsere Branche zum Kulturgut, bei uns wird sie von manch politisch Verantwortlichen mit dem unsäglichen Ausdruck der „Mövenpicksteuer“ in Verbindung gebracht.
Auch wenn es derzeit „in“ ist, alles infrage zu stellen, so gibt es dennoch Fakten, die sich nicht leugnen lassen. Fakt ist, dass wir in einer tollen Branche mit tollen Angeboten von Menschen für Menschen aktiv sind – und dass der Wille zum Beisammensein und zum Kontakt mit unseren Lieben, unseren Freunden, unseren Geschäftspartnern in unseren Genen steckt. Fakt ist, dass sich die Branche den Anforderungen zur Bewältigung der Pandemie gestellt hat und so ihrer gesellschaftlichen Verantwortung in dieser schweren Zeit bewusst und engagiert gerecht wird. Ich glaube fest, dass unsere Branche nach der Krise wieder zu dem werden wird, was sie schon immer war, ein Treffpunkt zum Austausch, zur Geschäftsanbahnung oder -abwicklung, zur Geselligkeit, zum Reisen, zum Kennenlernen anderer Kulturen oder einfach nur zum Genießen des Lebens.
Natürlich werden wir Wunden lecken – und natürlich werden wir neues Vertrauen bei Investoren finden müssen, aber wenn wir uns auf unsere Stärken besinnen, so sollte uns das auch gelingen. Wir alle können sehen, wohin uns Starrsinn und Ignoranz führen. Wir sollten offen und transparent, lebensbejahend und tolerant, zukunftsorientiert und innovativ sein. Dann mache ich mir um die Zukunft unserer Branche nicht allzu viele Sorgen.