"Flachere Hierarchien, mehr New Work"

Anna Wenzelmann: "Zu kämpfen und die Fahne hochzuhalten, obwohl wir viele Fachkräfte verloren haben, hat mir Motivation gegeben"
Anna Wenzelmann: "Zu kämpfen und die Fahne hochzuhalten, obwohl wir viele Fachkräfte verloren haben, hat mir Motivation gegeben"
Foto: Patrick vom Berg Foto: Patrick vom Berg

F&B-Direktorin Anna Wenzelmann vom Hotel Bayerischer Hof hat den Deutschen Hotelnachwuchs-Preis 2022 (DHNP) nach München geholt. Über Wow-Momente, Führungsverständnis und Zukunftspläne spricht sie mit ahgz-Redakteurin Brit Glocke.

Frau Wenzelmann, Gratulation zum Deutschen Hotelnachwuchs-Preis 2022! Was war Ihr schönster Moment im Finale?

Als klar war, dass ich gewonnen habe und der ganze Saal Standing Ovations gegeben hat. Da dachte ich nur: Wow – dieser Moment wird mir noch lange in Erinnerung bleiben! Dazu die Gespräche und das individuelle Feedback der HDV-Hoteliers und Gala-Gäste direkt im Anschluss – das hat mich sehr gefreut und darin bestärkt, auf dem richtigen Weg zu sein.

Woher kam die Motivation am DHNP teilzunehmen?

Ich habe den Preis regelmäßig verfolgt und kannte auch ein paar Kandidaten, die in den vergangenen Jahren dabei waren. Auch hatte ich Freunde, die gesagt haben: Anna, mach‘ da auch mal mit! Aber es passte irgendwie nie. Doch mit der Beförderung zum Director of F&B im Bayerischen Hof am 1. November 2021 habe ich mir gesagt: Wenn ich es jetzt nicht mache, dann mache ich es nicht mehr. Also nehme ich das jetzt mit und hoffe, dass ich weiterkomme.

Die Jury hat Ihnen einen spannenden Lebenslauf bescheinigt: Was waren für Sie persönlich die wichtigsten Meilensteine Ihrer bisherigen Karriere?

Ein wichtiger Meilenstein war mein Studium an der Dualen Hochschule in Ravensburg, auf dem alles weitere aufbaute. Meine Station in China war spannend, weil ich hier als F&B Management Trainee im Sunrise Kempinski bereits F&B-Konzepte für zehn Restaurants mitschreiben durfte, hinzu kam die Arbeit in einem kleinen Pre-Opening-Team für ein großes Haus.

Anna Wenzelmann

Geboren: 1991 in Bergisch Gladbach
Ausbildung: B.A. BWL-Tourismus/Hotel- und Gastronomiemanagement, Duale Hochschule Baden-Württemberg, Ravensburg (2010-2013)
Stationen: Bayerischer Hof München (seit 2019), Althoff Seehotel Überfahrt (2017-2019), Emirates Palace managed by Kempinski Abu Dhabi (2014-2016), Sunrise Kempinski Hotel Peking (2013-2014), Lindner Hotel Am Belvedere Wien (2012-2013)
Heutige Position: Director of F&B, Bayerischer Hof, München (seit 11/2021)

Am meisten geprägt hat mich sicherlich Abu Dhabi: Im Emirates Palace, ebenfalls Kempinski, war ich knapp drei Jahre und konnte bei unglaublichen Veranstaltungen mitwirken. Ich war in den privaten Palästen der obersten Familie des Landes und beim Präsidenten zuhause, ich habe mit meinem Team Staatsgäste und VIPs bedienen dürfen – das war eine enorme Verantwortung. Im Emirates Palace haben damals rund 67 Nationen gearbeitet, allein in meinem Team waren es über 100 Mitarbeiter aus 15 Nationen. Hier habe ich Führung gelernt, denn bei aller Diversität galt es jeden individuell anzufassen und auf ihn persönlich einzugehen. Last but least natürlich der Bayerische Hof München. Hier konnte ich mich in den vergangenen zwei Jahren beruflich noch einmal immens weiterentwickeln.

Was gefällt Ihnen an ihrem jetzigen Arbeitgeber, dem Bayerischen Hof?

Ich finde die Größe und Vielfalt der F&B-Outlets im Hotel extrem reizvoll: Fünf Restaurants, sechs Bar, 40 Veranstaltungsräume und einen großer Back-of-House-Bereich. Zudem wird das Hotel aktiv von seiner Inhaberin Innegrit Volkhardt geführt, zu der ich einen engen und direkten Austausch pflege. Wir sind stark im F&B-Controlling und sehen das Hotel als Wirtschaftsunternehmen, dass auch rentabel arbeiten muss. Das finde ich spannend.
Auf meinem Weg gab es immer Menschen, von denen ich mich gut geführt gefühlt habe
Anna Wenzelmann, DHNP-Siegerin 2022

Wie schätzen Sie das Führungsverständnis in der Hotellerie ein? Sehen Sie sich als junge Führungskraft gut abgeholt?

Ich glaube, dass wir nicht da sind, wo wir sein sollten, sondern das noch viel von der althergebrachten und inzwischen angestaubten Führungshierarchie dominiert wird. Wir merken alle, dass das nicht mehr funktioniert, wie nicht zuletzt auch Fachkräftemangel und gesunkene Branchenattraktivität zeigen. Gleichwohl gab es auf meinem Weg immer Menschen, von denen ich mich gut geführt gefühlt habe, sei es GM Vincent Ludwig im Althoff Seehotel Überfahrt oder GM Holger Schroth im Emirates Palace. Und auch von Innegrit Volkhardt bekomme ich den Support, den ich brauche. Doch noch einmal auf die Branche bezogen: Hier muss das Führungsverständnis dringend besser werden.

Was haben Sie insbesondere von Ihrer Mentorin Innegrit Volkhardt gelernt?

Trotz der Coronakrise galt bei ihr immer die Device: „Zusammen schaffen wir das!“ Und entsprechend haben wir dann gemeinsam ausgelotet, welches Restaurant offenbleibt und wirtschaftliche Entscheidungen getroffen. Es gab Tage da haben wir im Hauptrestaurant vielleicht 20 Euro Umsatz gemacht, aber einfach zu entscheiden, wir haben trotzdem täglich ein kleines Team vor Ort – und auch zu kämpfen –, das nehme ich von ihr mit.

Woher haben Sie in der Coronakrise die Motivation für sich selbst und Ihr Team geschöpft?

Ich glaube, aus meiner eigenen Vorstellung, das alles ganz schnell wieder besser wird – und aus dem Wissen, dass wir nicht die einzigen in dieser Situation waren. Aber zu kämpfen und die Fahne hochzuhalten, obwohl wir viele Fachkräfte verloren haben, hat mir Motivation gegeben. Und zu schauen, was kommt danach: Ich freue mich auf viele tolle Veranstaltungen und darauf, wieder Gastgeber sein zu dürfen.

Was zeichnet Ihr eigenes Führungsverständnis aus?

Leading by example – selbst mit bestem Beispiel, mit Freundlichkeit und Gastgebertum vorangehen. Wenn ich mir zu fein bin, die runtergefallene Serviette aufzuheben, dann bin ich einfach falsch. Ich habe einen kooperativen Führungsstil, agiere sehr offen und individuell. Ich gebe Ziele vor, aber ich lasse das Team machen und unterstütze, wo nötig. Aber grundsätzlich soll jeder in seinem Bereich eigenständig Verantwortung übernehmen, Entscheidungen treffen und auch Fehler machen dürfen. Das ist wichtig, ebenso wie Wertschätzung. Wir haben 120 Azubis im Haus und ich kenne fast alle mit Namen – das ist für mich auch Wertschätzung, sich zu interessieren, wie geht’s der Familie, ist das Kind wieder gesund …

Welche Themen interessieren Sie als Nachwuchsführungskraft?

Das sind vor allem Themen rund um Employer Branding und neue Arbeitszeitmodelle. Aber auch, was ich selbst noch lernen kann, um zielorientierter zu führen? Oder, wie ich den Mitarbeiter noch besser unterstützen kann, um gemeinsam auf ein Ziel zuzugehen?
Deutscher Hotelnachwuchs-Preis (DHNP)

Der Deutsche Hotelnachwuchs-Preis (DHNP) hat sich als eine der wichtigsten Auszeichnungen für junge Hotellerie-Führungskräfte aus der zweiten oder dritten Führungsebene etabliert. Verliehen wird er von ahgz und Hoteldirektorenvereinigung Deutschland (HDV).

Dem Sieger oder der Siegerin winkt ein Sommerkurs an der Cornell University in den USA samt Flug und Übernachtung. Obendrein gibt es von der IST-Hochschule für Management eine berufsbegleitende Weiterbildung „Bachelor Hotel Management“ (alternativ auch als Master). Außerdem erwartet den Erstplatzierten eine einjährige beitragsfreie HDV-Mitgliedschaft, bei der er sein berufliches Netzwerk weiter ausbauen kann.

Logo DHNP 2022
Foto: ahgz

Auch die Zweit- und Drittplatzierten gehen nicht leer aus: Für sie gibt es ein individuelles Management-Training an der Hotelschool The Hague in Amsterdam samt Übernachtung. Darüber hinaus erhalten alle Finalisten eine Einladung zur Gala „Hotelier des Jahres“ und zum Deutschen Hotelkongress.

Der DHNP wird unterstützt von den Unternehmen Ecolab, Hantermann, J.J. Darboven, Meiko und Progros.

Für 2023 wird der Deutsche Hotelnachwuchs-Preis (DHNP) wieder ausgeschrieben. Nähere Infos gibt es unter www.hotelnachwuchspreis.de

Macht die Branche genug für Nachwuchsführungskräfte?

Leider nein. Grundsätzlich ist der DHNP eine tolle Initiative, denn es ist wichtig, etwas zu tun, wovon sich junge Menschen gepusht sehen oder ein Netzwerk an die Hand bekommen, um sich darin weiterzuentwickeln. Doch es geht gar nicht nur um die Nachwuchsführungskräfte, sondern um den Nachwuchs an sich. Wir müssen Schülern und jungen Menschen viel früher zeigen, dass Hotellerie nicht nur Buckeln, Feiertagsarbeit und schlechte Bezahlung ist. Wir müssen ihnen zeigen, wie schön die Branche ist und wie schön es auch ist, Dienstleister zu sein, denn ich glaube, das Dienstleistungsthema ist verloren gegangen. Menschen möchten keine Dienstleister mehr sein und das hat auch mit einer veränderten Gastkultur zu tun. Hier müssen wir ansetzen und junge Menschen wieder überzeugen.

Seit der Coronakrise stehen Führungs- und Personalmodelle in der Branche auf dem Prüfstand. Welche Themen finden Sie hier sinnvoll?

Thema Nummer 1 ist die faire Bezahlung. Hier müssen wir dringend etwas tun. In Bayern haben wir zum 1. April eine Tariferhöhung bekommen – das ist ein Anfang.  Ein weiteres Thema sind Arbeitszeitmodelle. Es wird immer mehr zur 4-Tage-Woche gehen. Im Garden Restaurant des Bayerischen Hofs setzen wir sie bereits seit 20 Jahren um – und haben dort unser beständigstes Team. Langfristig werden wir noch umfassender auf solche Modelle hinarbeiten müssen, denn nur so können wir für Mitarbeiter attraktiver werden und die gerade auch von der jungen Generation gewünschte Work-Life-Balance sicherstellen.
Hinterfragen, einfordern, aktiv Interesse zeigen – und: Durchbeißen!
Anna Wenzelmanns Tipp für Nachwuchsführungskräfte

Wie sieht für Sie die Führung der Zukunft aus?

Flachere Hierarchien, mehr New Work, gerade in Bezug auf Arbeitsflächen, Homeoffice-Themen und Digitalisierung, sowie mehr Verantwortlichkeit und Entscheidungsgewalt für Mitarbeiter. Auch werden wir Mitarbeiter schon viel früher an die Hand nehmen müssen, um Karrierepläne mit ihnen zu entwickeln: Was möchtest Du, wo willst Du hin und wie können wir Dich am besten darauf vorbereiten? Hier müssen wir ansetzen.

Stichwort New Work – verfolgen Sie das gezielt?

Nicht aktiv, aber ich denke, dass es ein Thema ist, das der Branche guttun würde, Stichwort Digitalisierung, flexible Arbeitszeitmodelle, Arbeitsplatzgestaltung. Schöne Mitarbeiterrestaurants und Pausenräume, in denen sich Mitarbeiter wohlfühlen, wo sie an stressigen Tagen mal kurz entspannen und etwas Gutes essen können. Die Arbeitsatmosphäre – gerade auch Back of house – zu modernisieren ist sicherlich ein New-Work-Thema, mit dem wir die Hotellerie noch attraktiver machen können.

Welchen Tipp haben Sie für Nachwuchsführungskräfte in der Hotellerie?

Sie sollten wissen, wo sie hinmöchten und gezielt darauf hinarbeiten. Sie sollten hinterfragen, einfordern und aktiv Interesse zeigen, anstatt darauf zu warten, dass ihnen etwas in den Schoß fällt. Und nicht zuletzt gilt: Durchbeißen! Auch ich hatte schwere Zeiten, saß in Abu Dhabi und habe mich gefragt, was ich dort mache? Doch neue Dinge erleben, bedeutet auch mal die eigene Komfortzone zu verlassen und dennoch dranzubleiben. Ausland ist ein wichtiges Thema, denn unterschiedliche Arbeitsatmosphären, Teams und Führungskräfte zu erleben – das prägt! Ich bin der Mensch, der ich heute bin, durch das, was ich erlebt habe – und meine beruflichen Schritte waren dabei die größten.

Als Siegerin geht’s für Sie zum Sommerkurs an die Cornell University, USA. Wissen Sie schon, in welche Richtung Sie sich weiterbilden werden?

Ein F&B-Kurs wird es wahrscheinlich nicht, eher etwas übergreifendes aus dem Bereich Hotel Management oder Finance.

Wo sehen Sie sich in fünf Jahren?

Früher war ich immer sehr zukunftsgetrieben, daher auch mein durchgetakteter Lebenslauf. Das hat sich verändert. Ich fühle mich sehr wohl in München, im Bayerischen Hof und in meiner noch frischen Position als Director of F&B. Deshalb freue ich mich jetzt erst einmal darauf, das Team aufzubauen, wieder einen normalen Alltag zu erleben und Gäste glücklich zu machen. Für Stabilität zu sorgen und zu führen – das sind momentan meine beiden Hauptthemen.

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