Olaf P. Beck trank viele Jahre und schaffte 2001 den Absprung vom Alkohol. Wie blickt er heute darauf zurück?
Verkaufsmappe, Füller, Wasserflasche. Diese drei Dinge waren immer in der Aktentasche. Aber in der Flasche war kein Wasser, sondern Wodka – pur. Über den Tag wurde er weniger, ging aber nie aus. Olaf P. Beck fand immer Mittel und Wege, seinen Vorrat aufzufüllen. Auch Möglichkeiten, sein Level hochzuhalten.
Wenn er aus Versehen zu viel erwischte, zog er sich unter einem Vorwand zurück in ein Hotelzimmer oder täuschte einen Termin vor. „Dann habe ich einfach ein Stündchen im Auto geschlafen“, erzählt er. Gerochen oder gemerkt hat es niemand. Obwohl er in verantwortungsvollen Positionen Teams führte. „Ich war echt gut“, sagt er mit Galgenhumor im Gespräch mit der
AHGZ. Seinen wichtigsten Job als junger Mann – die Preopening-Phase des Renaissance-Hotels in Dortmund an der Westfalenhalle Ende der 1990er-Jahre – machte er nie nüchtern. Beck beschreibt sich als standhaften, meinungsstarken, aber lieben Kerl, der er damals war – auch unter Alkoholeinfluss. So sei er wahrgenommen worden. Keiner sah den Trinker in ihm.
Seit 2001 trocken
Beck ist nicht allein mit seiner Geschichte. In Deutschland schaffen es täglich Tausende von Menschen, ihre Alkoholsucht vor ihrem Umfeld erfolgreich zu verbergen. „Das ist kräftezehrend“, weiß Beck. Und die Angst erwischt zu werden – Hölle! Offiziell alkoholkrank sind laut Statistischem Bundesamt knapp 2 Mio. Menschen. Missbräuchlich konsumieren ihn weitere 1,8 Mio. Menschen. Die Ziffer derjenigen, die in risikohaften Mengen konsumieren, liegt laut Zahlen des Bundesgesundheitsministeriums bei 9,5 Mio. Menschen. Wie viele von ihnen im Alltag unter Alkoholeinfluss stehen, ist nicht schätzbar.
Das Fatale: Sie bedienen womöglich Maschinen und fahren Auto. Sie können viel ab und sind trainierte Schauspieler. Sie kennen kein Risiko. Beck hat so einige Polizeikontrollen unbeschadet überstanden und schätzt, dass er „jedesmal über 2 Promille intus hatte“. Um Betroffene wachzurütteln, will Beck seine Geschichte erzählen.
Oberarzt Maurice Cabanis, der in Stuttgart mit Alkoholabhängigen Entzüge plant, sieht für Menschen, die permanent unter Stress stehen, ein großes Risiko, alkoholabhängig zu werden. Oder für Menschen, die mit Alkohol eine andere psychische Krankheit selbst kurieren wollen (siehe nebenstehendes Interview). Bei Olaf P. Beck traf damals, als alles begann, beides zu. In den 1990er-Jahren stieg er bei Marriott im Salesbereich sukzessive auf, zog Deals an Land, für die er gefeiert wurde und bekam immer mehr Verantwortung on top. Er wollte gut sein und war es. Aber der Körper fing an zu rebellieren: Unruhe, Schlafstörungen, Angstzustände.
Dann trieb der Job ihn in jene große Panikattacke, die alles in seinem Leben veränderte: Weil Beck zwar unter Platzangst leidet, aber nie darüber sprach, fürchtete er sich vor einer Autofahrt zu einem großen Kunden nach Lugano, auf der Beck den Gotthardt-Straßentunnel passieren musste. Für die Fahrt kaufte er sich Süßigkeiten, Apfelschorle und Bier. Im Tunnel packte ihn die Angst so sehr, dass er glaubte, sterben zu müssen. Sein Herz raste, sein Mund strohtrocken. Während er fuhr, suchte er etwas zu trinken und erwischt eine Dose Bier. Egal, dachte er und trank sie aus. Dann schaffte er es, sich zu beruhigen.
Eine falsche Entscheidung
„Wenn ich damals die Apfelschorle erwischt hätte, ich schwöre, es wäre alles anders gekommen“, sagt Beck heute. Der Teufelskreis begann, weil der Körper sich die Verknüpfung zwischen Krise und erfolgreicher Bewältigung durch Alkohol gemerkt hatte.
Im Jahr 2001 – Beck war seit acht Jahren Trinker, davon fünf Jahre Dauertrinker – kam es zum großen Knall. In der Probezeit bei einer Berliner Immobilienfirma fuhr er mit dem Geschäftswagen zu einem Date, das in die Hose ging. Deshalb fuhr er nachts doch mit dem Auto heim und rammte beim Einparken mehrmals das Fahrzeug davor und dahinter. Nur durch einen Schleier nahm er war, dass eine Frau im Bademantel an die Scheibe klopfte und ihn anschrie. Beck wollte sich zusammenreißen, bat sie, nicht die Polizei zu rufen, wollte für den Schaden aufkommen. Doch sie entgegnete ärgerlich: „Ich bin Staatsanwältin und die Polizei kommt auch gleich.“ Da wusste Beck: Das Versteckspiel ist zu Ende. Der Job war weg, ebenso der Führerschein und eine saftige Geldstrafe kam hinzu. „Geld hatte ich nie übrig damals.“
Olaf P. Beck begriff, dass er handeln musste. Sein körperlicher Zustand war besorgniserregend. Die Speiseröhre war blutig vom Wodka, oft erbrach er sich – auch Blut. Er war „fettleibig und Kettenraucher“. „Meine Blutwerte waren so schlecht, als hätte ich schon die zweite Chemotherapie hinter mir“, erinnert er sich.
Aber er schaffte den Absprung. Ein bekannter Arzt aus seiner Geburtsstadt Wuppertal, der mittlerweile in Berlin praktizierte, wurde der richtige Partner an seiner Seite, um den Entzug anzupacken. Er verschrieb ihm ein Beruhigungsmittel gegen die Entzugserscheinungen. Alle zwei Tage suchte Beck ihn am Anfang auf.
Ein extremer Charakter
So wurde der 18. Februar 2001 Becks erster Tag ohne Alkohol nach acht Jahren Abhängigkeit. Seitdem ließ er „alles weg, was giftig ist“: Alkohol, Zigaretten, Fleisch und Zucker. Und er rasierte sich die Haare ab, um sich seiner erfolgreichen Zeit bei der Marine nahe zu fühlen. „Ich bin von einem Extrem ins andere, weil ich ein extremer Charakter bin“, so Beck. Schnell nahm er die ersten 15 Kilos ab, unternahm lange Fußmärsche und aß wochenlang Kohlsuppe. Und er traute sich im März schon auf die ITB – blieb standhaft beim Netzwerken. Nach der Messe hatte er einen neuen Job in der Tasche.
Wieder machte er in den kommenden Jahre Karriere in der Hotellerie, aber ohne die Hilfe von Alkohol. Nur die Beruhigungsmittel brauchte er noch eine Weile. Mit sich selbst im Reinen und stolz bis unter die Hutschnur war er, als er Hoteldirektor im Side Hamburg wurde. Auf Wunsch der Eigentümer Theo und Gregor Gerlach positionierte er das 5-Sterne-Designhotel erfolgreich am Markt. Er hatte erreicht, wovon er seit der Kindheit träumt: „Status, Auftreten und Anerkennung in der Hotellerie.“ Er setzte im Jahr 12 Mio. Euro um.
Im Side hatte er ein weiteres Schlüsselerlebnis, dass ihn damals „zum Weinen“ brachte, aber menschlich veränderte: Er erfuhr, dass viele in seinem Team nicht gern mit ihm zusammenarbeiten. „Das zu begreifen, tat unendlich weh“, sagt er ehrlich. Doch es wirkte nach und veränderte ihn. Mit weiteren berufliche Stationen schaffte es Beck – nach eigenem Empfinden – „immer besser, die Menschen um mich herum wahrzunehmen“ und auch zu begreifen, wie schön es ist, ihnen Mut zu machen, anstatt sie „zusammenzufalten“. Als er 2016 vor einigen Hundert Leuten über seinen Entzug auf einem Podium sprach und anschließend viel positives Feedback erhielt, glaubte er als Lebensformel verstanden zu haben: „Liebe ist das Zauberwort.“
Arbeit mit Menschen
So findet Olaf Beck – gerade 52 Jahre alt geworden – es stimmig, nun bei Novum Hospitality als Director of Human Relations nahe am Menschen zu arbeiten.
CEO & Owner David Etmenan hat den Salesprofi bewusst für diesem Bereich angeworben. Beck will den Änderungsprozess im Unternehmen mitgestalten. So hat die Hotelgruppe erst zu Beginn des Jahres erklärt, oberstes Ziel sei es, das Personalmarketing auszubauen – mit einem HR-Team an der Seite, das das richtige Gespür mitbringt.
Was ihn von Etmenans Jobangebot überzeugt hat: „Ich darf helfen, nun einen neuen Weg mit Menschen zu gehen, anders als es bisher im Unternehmen üblich war.“ Eines seiner Vorbilder dafür ist Bodo Janssen, CEO der Hotelgesellschaft Upstalsboom. Novum-Chef David Etmenan sieht Olaf P. Beck mit seiner Biographie und seiner persönlichen Entwicklung als menschliche und fachliche Bereicherung für die Company: „Wir freuen uns, mit Olaf Beck einen Generalisten mit langjähriger Expertise gewonnen zu haben. Er stellt den Menschen in den Vordergrund, so hat er aufgrund seines Werdegangs auch Verständnis für Brüche in Lebensläufen und erkennt Potenziale.“
Beck selbst freut sich, Novum auf dem Markt weiter nach vorn zu bringen – als attraktiven Arbeitgeber mit zukunftsweisenden Mitarbeiterkonzepten. „Der Weg ist sicher nicht einfach, aber ich sehe ihn deutlich vor mir“, sagt der selbstbewusste Novum-Director of Human Relations. Aber er sei ja eingestellt worden, um Veränderungen anzustoßen -- seine große Stärke. Heute trinkt er literweise Wasser bei Stress, treibt regelmäßig Sport, entspannt an der Nordsee und sagt viel öfter „danke“ als früher.