Es bedarf eines Kulturwandels in der Gastronomie. Das sagt Alexander Scharf, der in Goslar das Hotel Schiefer nebst Apartments sowie Gastro-Locations wie das Tim's und das Wildfang betreibt. Ein Gastbeitrag.
Die Komplexität unserer verzwickten Lage findet kaum Beachtung, wenn sich Gewerkschaften und Verbände aktuell bei den Lohnrunden gegenüberstehen. Die
Arbeitswelt verändert sich dynamisch und
fordert einen deutlichen Kulturwandel, der noch nicht von allen erkannt wurde.
Alexander Scharf, geboren 1971 in Kiel, absolvierte seine Lehre zum Hotelkaufmann im Hotel Ambassador, Hamburg. Wichtige berufliche Stationen waren die RIMC Hotels & Resorts, Hamburg und das Hotel Nassauer Hof in Wiesbaden.
2004 machte Scharf sich selbstständig und eröffnete in Goslar den ersten eigenen Gastronomiebetrieb, das Tim's. Als geschäftsführender Gesellschafter führt der Unternehmen mittlerweile die Gastro Urban GmbH mit mehreren Restaurants, Hotel und Apartments. Zudem ist Alexander Scharf geschäftsführender Gesellschafter Luchs Akademie GmbH, die sich um Nachwuchsförderung und berufliche Entwicklung im Gastgewerbe kümmert.
Junge Menschen wünschen sich, das getriebene Leistungsdenken vorangegangener Generationen an den Nagel zu hängen. Sie
möchten lieber erlebnisorientiert anstatt stumpf ergebnisorientiert arbeiten. Durch diese Werteverschiebung sind die Wünsche an den Arbeitsmarkt im immateriellen Bereich gewachsen. Es geht unter anderem um
Wertschätzung, Sinnhaftigkeit, Freude am Tun, Zusammengehörigkeit, Weiterentwicklung, Feedbackkultur, Mitbestimmung, Werteorientierung und flache Hierarchien neben fairen Löhnen.
Hohe Abi-Quote, schwindende Kompetenzen
Den demographischen Wandel erleben wir dahingehend, dass immer weniger Menschen auf den Arbeitsmarkt strömen. Die
Verteilung der Schulabschlüsse hat sich zusätzlich gravierend geändert. Der einstige dicke Bauch der für das Gastgewerbe interessanten Realschüler ist fast gänzlich verschwunden. Stattdessen erleben wir eine Quote von rund 40 Prozent Abiturienten und ebenso viele Oberschüler sowie fehlende Abschlüsse aus immer kleiner werdenden Jahrgängen. Erschwerend kommt hinzu, dass am unteren Ende des Bildungssystems die Kompetenzen von Berufseinsteigenden dramatisch nachlassen, wir aber auf diese Gruppe durchaus angewiesen sind.
„Der einstige dicke Bauch der für das Gastgewerbe interessanten Realschüler ist fast gänzlich verschwunden“
Alexander Scharf
Die wenigen Berufseinsteigenden stehen einer Branche gegenüber, die in den letzten Dekaden vieles dafür getan hat, einen nicht ganz so positiven Ruf zu besitzen. Die Folgen sehen wir deutlich in den Betrieben. Es kommen kaum Bewerbungen,
Unzufriedenheit sorgt für Abwanderung von bestehenden Mitarbeitenden und damit zu geschlossenen Türen, was in der Ursache allgemein als Fachkräftemangel bezeichnet wird. Diese
Entwicklung wird sich in den kommenden Jahren noch deutlich verschärfen und in den digitalen Medien noch schneller verbreiten.
Qualifizierung ist nötig – kostet aber
Viele junge Menschen, mit und ohne Ausbildung, verursachen in den Betrieben erhebliche Mehrkosten in Form dringend notwendiger Qualifizierungsmaßnahmen, wenn wir weiterhin effizient arbeiten wollen und adäquate Gasterlebnisse zu mehr Umsatz führen sollen. Dieses Plus an Umsatz benötigen wir, um unter anderem den steigenden Lohnkosten begegnen zu können.
Es klingt nach einer Zwickmühle. Denn steigende Preise können unseren Gästen nur durch kompetente Mitarbeitende wirklich schmackhaft gemacht werden.
„Ich begrüße die höheren Löhne ausdrücklich, mahne aber an, dass wir mehr tun müssen“
Alexander Scharf
Angesichts dieser Gemengelage aus der Werteverschiebung ab Generation Y, dem demographischen Wandel, den nachlassenden Einstiegsqualifikationen und dem schlechten Image der Branche wird deutlich, dass
eine alleinige Erhöhung des Mindestlohns nicht ausreichen dürfte, um das Gastgewerbe aus der Krise zu führen. Ich begrüße die höheren Löhne ausdrücklich, mahne aber an, dass wir mehr tun müssen.
Modernes Führungsverständnis etablieren
Es bedarf des oben angesprochenen Kulturwandels, in Zuge dessen wir unsere Betriebe an die Anforderungen und die Bedürfnisse junger Mitarbeitende anpassen sollten. Hierbei geht es darum, unsere
Betriebe umzubauen, Arbeit zu emotionalisieren, Betriebsabläufe zu demokratisieren, in Weiterentwicklung zu investieren, ein modernes Führungsverständnis zu etablieren und gegenseitige Erwartungen zu vermitteln.